Bericht vom 8.10.2016
Heute beginnt Dashain, das wichtigste und längste Fest in Nepal, welches von Neumond bis Vollmond dauert; 5 Tage davon sind öffentliche Feiertage. Das Fest ist der Göttin Durga geweiht, welche dafür sorgt, dass das Gute über das Böse siegt. Vor allem aber ist es ein grosses Familienfest und halb Nepal ist unterwegs. Wer einen Bus braucht, muss diesen schon wochenlang im Voraus reservieren, später gibt's nur noch Stehplätze oder Plätze auf dem Dach, wo meist die Jungen dicht gedrängt sitzen. Am letzten Tag muss man die ältesten Familienmitglieder besuchen, welche einem das rote Tika, ein Segenszeichen, aus die Stirn drücken.
Am Abend waren Susan und ich dann zum Fest bei Devendra's Familie eingeladen. Zuerst hat der Vater die Opferzeremonie gemacht, nachher gab's ein feines Essen, serviert auf Palmenblättern.
Vor unserem Volontärhaus wird gerade eine riesige Bambusschaukel gebaut, die gehört zu Dashain, und gross und klein werden sich in den nächsten Tagen darauf amüsieren.
Gottlob haben wir in diesen Tagen auch im Spital nur Notfalldienste, denn Susan, eine tüchtige Volontärin, und ich können einige Ruhetage wirklich gebrauchen. Unser erster Monat hier war sehr arbeitsreich. Viele PatientInnen warten jeweils, bis ich wieder komme. Deshalb haben wir auf der Dermatologie Station jetzt jeden Tag 100-120 Leute behandelt. Für organisatorische Arbeiten bleibt jeweils nur der Morgen vor der Arbeit oder danach. Aber ich freue mich natürlich, dass unsere Abteilung einen so guten Ruf geniesst.
In der zweiten Woche kam der Gesundheitsminister aus Kathmandu auf Besuch, er war des Lobes voll für die Arbeit und Unterstützung von Shanti Med. Er lobte gar die Sauberkeit des Spitals, obwohl dieses für mich weit entfernt von meinen Vorstellungen eines sauberen Spitals ist. Aber im Vergleich mit anderen staatlichen Spitälern hat er wohl recht.
Grosse Unterstützung habe ich von Susan Lanfranchi, seit einem Jahr pensionierte Teamleiterin der Sterilisation im Limmattal Spital. Die ersten Tage hatte sie allerdings einige Schock-Erlebnisse: Sowohl im Pult des Sterilisationsraum, als auch in der Schublade des Stahl-Schubladenmöbels im Operationssaal-Vorzimmer hatten sich Mäuse eingenistet. Zwar bin ich gewohnt, dass die Sauberkeit nachlässt, wenn ich nicht da bin, aber so eine Schlamperei hatte ich wirklich nicht erwartet. Und ich hatte dies auch dem Gesundheitsminister erzählt, sodass er die staatlichen Angestellten später gerüffelt hat. Ich selbst muss mich immer wieder mit Geduld wappnen und versuchen die nepalesische Mentalität langsam zu ändern: denn Putz-und Aufräumarbeit, selbst in Schränken oder das Waschen von Operationsbestecken, machen hier nur die Putzfrauen. Gemäss alter hinduistischer Hierarchieordnung ist dies "unter der Würde" von Krankenschwestern oder Büropersonal. Dank Susan ist jetzt aber im Ops und im Sterilisationsraum alles wieder sauber. Und äussert kundig und sorgfältig hat sie auch schon viele der Schachteln, welche vor einer Woche mit dem neuen Container angekommen sind, sortiert und versorgt. Wie hätte ich das ohne Susan schaffen können! So viel gutes Material ist wieder angekommen und ich bin sehr dankbar über die Zusammenarbeit mit der Aidass Malteserorganisation, welche uns nun schon den 4.Container geladen hat.
Immer wieder erleben wir bedrückende Frauengeschichten: Prabita, die kaum 20 jährige Frau hat vor zwei Wochen ihr 5. Kind in unserem Spital zur Welt gebracht. Ihr jüngstes 2 jährige Kind war vor zwei Monaten an einer Lungenentzündung gestorben. Die anderen drei Kinder hatte sie im Spital dabei. Ihr Mann ist Rikscha Fahrer und vertrinkt das meiste Geld. Gottlob erhalten alle Frauen nach der Geburt in staatliche Spitälern ein sauberes neues Kleid für sich und das Baby, denn viele Frauen haben nichts sauberes dabei. Prabita hatte nicht einmal Unterhosen, sodass wir etwas improvisieren mussten, ...
Jedes dritte Mädchen in Nepal wird minderjährig verheiratet. Human Rights Watch (HRW) hat der nepalesischen Regierung vorgeworfen, nicht ausreichend gegen Kinderheirat vorzugehen und krititisert die Entscheidung der Regierung, die im Land weitverbreitete Praxis nicht wie zunächst geplant bis 2020, sondern erst bis 2030 abbauen zu wollen.
Viel Freude machen wir den Kindern immer wieder mit den schönen Spielsachen, welche wir geschenkt bekommen.
Morgen kommt unser Vorstandsmitglied Kathrin Baumgartner aus Kathmandu an. Und zu dritt werden wir für zwei Tage das Kamaya Projekt ganz im Süden besuchen. Wir freuen uns sehr auf diese gemeinsame Reise. Father Michael von der Chepang-Navodaya Schule leiht uns seinen guten Wagen mit Chauffeur, sodass wir uns nicht in überfüllte Busse pressen müssen.