Bericht vom 20.11.2011

Obwohl es manchmal grosse Schwierigkeiten mit dem Management gibt ist die Arbeit hier in der abgelegenen Region im Süden Nepals nach wie vor sehr interessant und lohnend. Insbesondere die vielen dankbaren PatientInnen und ihre oft so strahlenden Augen, sowie die vielen kleinen Geschenke, die sie bringen, freuen mich sehr. Meist sind dies etwas Gemüse oder Früchte, ganz frisch aus ihrem eigenen Garten, oder Haarspangen, so bunt, dass ich mir damit wie ein Kanarienvogel vorkomme.

Unser Day Care Center hat sich zu einem guten Zentrum entwickelt, die Zahl der Patienten steigt stetig an dank der guten Motivation unserer MitarbeiterInnen und auch vieler Schweizer VolontärInnen, durch welche immer wieder etwas Neues gelernt werden kann. Am 10.11. ist Dr. Ueli Guggisberg, ein Internist, angekommen. Er hat die Chemikalien für Sputumuntersuchung auf Tuberkulose-Bazillen mitgebracht. Und gleich beim ersten hustenden Patienten, einem armen Patienten aus der Ziegeleifabrik, ist er fündig geworden. Das hat deutlich gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir solche Untersuchungen in Zukunft selber machen, denn bisher hatten wir nie ein positives Resultat, wenn wir die Patienten in das lokale Health Zentrum geschickt hatten. Dort wird das Sputum lediglich von den Health Workern untersucht, die dafür sicherlich zu wenig ausgebildet sind. Auch Cornelia Stockmann, eine Krankenschwester, war für zehn Tage hier und hat alle Verbände gemacht.

Manchmal staune ich, wie viele Strapazen die Leute auf sich nehmen müssen, um zu uns zu kommen: Kürzlich kam eine 75 jährige Patientin mit Arthrose in den Beinen und einer chronischen Hautkrankheit. Ich wollte sie nach einer Woche wieder bestellen. Aber sie meinte, das sei wohl schwierig, denn sie sei 10 km zu Fuss unterwegs gewesen und möchte erst in zwei Wochen wieder kommen. Andere Patienten kommen mit dem Velo aus den Hügeln und brauchen zwei Stunden bis zu uns. Besonders schwierig ist es für die betagten Menschen, wenn sie keine Angehörigen haben, bei denen sie wohnen können und Unterstützung finden. Ihr Alltag ist beschwerlich, sie haben niemanden, der sie zum Arzt begleitet und meistens leiden sie auch an Hunger. Eine 72 jährige Patientin, sie wog nur gerade 31 kg, klagte, dass sie nur alle drei Monate eine staatliche Hilfe von 2000 Rupien erhalte, das sind kaum 25 Franken. Das reiche gerade nur für eine Mahlzeit mit Reis und Linsen pro Tag.

Leider hatten wir mit der Auswahl eines neuen nepalischen Arztes zunächst), nicht so viel Glück. Eigentlich wollte ich den Freund von Dr. Raj auswählen, aber der "Manager" unseres Zentrums, Herr Umesh wollte ihn nicht. So haben wir aus einer Dreierauswahl Dr. Gupta gewählt. Fachlich war er wohl in Ordnung, aber dann ist er kurz nach seiner Einstellung während vier Tagen nicht erschienen ohne sich abzumelden, ohne ein Telefon oder unsere SMS zu beantworten. Dann hatte ich genug und schlussendlich musste Umesh doch einwilligen, Dr. Ram Chandra, den Freund von Dr. Raj doch anzustellen. Doch nun wird er von Herr Umesh gemoppt und ich hoffe, dass er trotzdem bleibt. Dr. Gupta kam dann am 5.Tag wieder und erzählte, er hätte Familienmitglieder mit einer Lebensmittelvergiftung behandeln müssen. Trotzdem hätte er wohl fünf Minuten für ein Telefon finden können. Wir haben ihn entlassen.

Unser Apothekerassistent, Prawin, hat die Aufnahmeprüfung für das weitere Studium bestanden, er wird ein staatliches Stipendium erhalten, und uns verlassen, schön für ihn, aber traurig für uns, denn er war zuverlässig und konnte am Bestem englisch vom ganzen Staff.

Ärger und lange Diskussionen gab es seit Beginn immer wieder mit Herr Umesh, dem "Manager" des Day Care Center. Er spielt den grossen Chef und geht ziemlich rüde mit dem Personal um, er befiehlt und das Personal hat ohne Diskussion zu gehorchen. Natürlich habe ich mich immer wieder eingemischt, aber oft hat es nichts gefruchtet. Zudem hat er aus der Klinikkasse auch immer wieder Dinge für sich persönlich bezahlt, was ich ebenfalls jedes Mal beanstandete, wenn ich es in der Buchhaltung feststellte. Gestern, nach einem ernsthaften Gespräch mit dem Präsidenten der nepalischen Stiftung hat Durgesh endlich zugestimmt, dass er Umesh kündigen wird. Die ehemaligen VolontärInnen können sicher verstehen, wie erleichter ich bin.

Anschliessend hatte ich ein wunderbares Abschiedsnachtessen in einem traditionellen Restaurant in einem der alten Königspaläste mit Mahesh und Saraswoti, welche regelmässig unser Waste Managment Project kontrollieren und Fortbildung machen. Sie haben versprochen bei der Suche nach einem neuen Manager behilflich zu sein und so kann ich zuversichtlich nach Hause reisen.

Bericht vom 16.10.2011

Im Nu sind die ersten drei Wochen hier in Nepal wieder vergangen. Leider mussten wir gerade zu Beginn Abschied nehmen:
Unser junger nepalischer Arzt, Dr.Raj, ist nach einem Jahr Arbeit in unserem Day Care Center für drei Jahre in die Philippinen verreist, wo er seine Weiterbildung zum Facharzt in Dermatologie machen kann. Hier in Nepal hat er keinen Platz für die Weiterbildung erhalten; diese Plätze sind rar, auch sehr teuer (etwa 30‘000 Euro) und werden meist an BewerberInnen von wohlhabenden Familien oder aus der richtigen Partei vergeben. Nun hat er einen Platz im besten Universitätsspital von Manila erhalten und er ist sehr begeistert von der guten Ausrüstung der dortigen dermatologischen Abteilung. Unser grosser Dank geht an die Gisela Nägeli Stiftung, welche das Studiengeld in Manila von rund 16.500 USD übernommen hat. Diese Summe hätte Raj’s Familie selber nicht aufbringen können. Als Gegenleistung hat sich Raj verpflichtet, nach seinem Abschluss für mindestens zwei Jahre zu einem reduzierten Lohn wieder in unserem Spital zu arbeiten.

Bei meiner Ankunft hatten wir gerade noch einen Tag Zeit und mit Dr. Willi Kaufmann und seiner Frau Anna, einer Krankenschwester, unsere Erfahrungen auszutauschen. Während fast drei Monaten haben sie hier als Volontäre gearbeitet und dafür gesorgt, dass die Untersuchungen und Behandlungen der PatientInnen möglichst gut gemacht werden. Anna hat tüchtig geholfen, dass die Hygiene eingehalten wird, viele wunderbare Verbände gemacht und dem Staff immer wieder gezeigt, wie die Untersuchungszimmer und Arbeitsräume aufgeräumt und sauber gemacht werden müssen, auch wenn sie das oft Nerven gekostet haben mag. Die beiden haben unter recht schwierigen Umständen wirklich gute Arbeit gemacht, umso mehr als sie auch unter der ausserordentlichen Monsunhitze in diesem Jahr leiden mussten.

Der Neubau des Spitals kommt recht gut voran, sodass das Erdgeschoss wohl im nächsten Frühjahr bezogen werden kann. Bis dann gibt es aber noch sehr viel vorzubereiten, zusätzliches Personal wird gebraucht werden und ich hoffe, dass das Geld reicht, um auch einige besser ausgebildete Leute einzustellen.

Die nächsten drei Tage wird Dr. Durgesh Man Singh, der Gründer der hiesigen Stiftung, und Rabi kommen. Als erstes werden wir die Bewerbungsgespräche mit den nepalesischen Ärzten führen, die sich gemeldet haben. Leider sind es alles nur Leute mit wenig Berufserfahrung.

Schon im Frühjahr hatten wir als erstes Spital in Nepal das Label „Environment Friendly Hospital“ erhalten, wofür wir mindestens fünf Kriterien einer WHO-Richtlinie erfüllen mussten. Wir haben die folgenden schon umgesetzt: -Korrekte Abfalltrennung und Wiederverwertung; -Kompostierungsanlage; -keine Quecksilberhaltigen Thermometer und Blutdruckmessgeräte; -sauberes Wasser (nach SODIS); -nachhaltige Energieversorgung mit unserer Solaranlage.

Die Patientenzahl hat seit Beginn stetig zugenommen und tagsüber sind wir recht gefordert. Der Hauptteil sind Patienten mit z.T. schweren Infektionen wegen mangelnder Hygiene. Die Patienten sind sehr zufrieden und dankbar, dass sie nun in der Nähe ihrer Dörfer eine gute medizinische Versorgung haben.

Während des Dashain Festivals hatten wir die Klinik für einige Tage geschlossen, weil hier überall Verwandtenbesuche gemacht werden müssen. Ich habe die Zeit genutzt, um Besuche in Kathmandu zu machen und auch Andrea Raisigl abzuholen. Zusammen haben wir verschiedene Leute besucht, z.B. Nama, welcher leider nach der Massenentlassung bei Shanti SEWA Griha ebenfalls seine Arbeit verloren und nun auch noch den Arm gebrochen hat. Andrea ist Röntgen-MPA mit einer Zweitausbildung in Ostheopathie. Ihre Arbeit ist wirklich wertvoll, einerseits instruiert sie unseren wenig ausgebildeten Röntgenassistenten, anderseits behandelt sie unsere zahlreichen Patienten, welche an Knochen- und Gelenkschmerzen leiden. Sie wird für einen Monat hier bleiben. In Kathmandu habe ich auch das neue kleine Zentrum von Dr. Singh besucht, welches er neu in der Nähe seines Wohnhauses eingerichtet hat, um arme Patienten zu behandeln.