Bericht aus Chitwan von Ruth Gonseth - 29.10.2010
Seit 5 Wochen arbeite ich nun ganz im südlichen, tropischen Tiefland von Nepal, dem Tarai. Bis zur indischen Grenze sind es nur gerade 50km. Die flache weite Landschaft liegt nur noch etwa 200m über Meer. Doch an klaren Tagen kann man im Norden die vielen schneebedeckten hohen Himalaja-Gipfel sehen. Das Gebiet hier heisst Chitwan, wo auch der grosse geschützte Urwald liegt, ein für Nepal-Touristen sehr beliebtes Reiseziel. Elephantenritt in den Urwald oder Kanufahrten auf den breiten Flüssen sind faszinierend und die Tierwelt äusserst vielfältig.
Unsere Gunjaman Singh Memorial Tagesklinik liegt etwa 10 km vom Urwaldeingang entfernt im Zentrum von Pithuwa, einem Bezirk welcher aus vier Bauerndörfern besteht. Bei unserer Ankunft, ich werde von Inge da Silva begleitet, werden wir herzlich von den Präsidenten der vier grossen politischen Parteien begrüsst. Es war erstaunlich, wie friedlich sie hier zusammen sassen, obwohl sie sich doch politisch spinnefeind sind. Der Friedensprozess ist noch längst nicht abgeschlossen und die Unzufriedenheit und Frustration der Leute ist sehr gross, weil nichts von den vor den Wahlen abgegebenen Versprechungen eingehalten wurde. Unweit von unserem Tageszentrum befindet sich das grösste Maoisten camp Nepals, wo die jungen Maoisten-Kämpfer seit dem Friedensvertrag von 2006 immer noch auf eine neue Perspektive, d.h. Integration in die reguläre Armee, warten.
Die meisten Leute leben hier von der Landwirtschaft, das Gebiet ist sehr fruchtbar. Die eigenen Felder sind meist klein und reichen nicht aus für die Selbstversorgung. Die armen Bauern leben mit ihren Familien in kleinen strohbedeckten Lehmhütten, einige haben noch ein paar Ziegen oder einen Ochsen, welche etwas Milch geben und zum Pflügen gebraucht werden. Im Moment ist gerade Reisernte, draussen wird überall gedroschen und die Spreu mit grossen runden Bastfächern entfernt.
Was wir allerdings am neuen Arbeitsort vorgefunden haben, war ziemlich schockierend: Der Arzt war vor zwei Wochen weggeschickt worden, weil die Patienten offenbar mit ihm nicht zufrieden waren. Alles war schmutzig und viele Apparate defekt. Kein Wunder, denn es gab nur einen halbwegs brauchbaren Putzlumpen, einen einzigen Kessel. So mussten wir zuerst Putzmaterial, Handtücher, Farbe anschaffen. Gottlob ist das junge Team aber sehr hilfsbereit und Inge ist ein Engel, wie sie das alles angepackt. Zusammen mit dem Team hat sie innen alles geputzt und neu gestrichen. Ich habe v.a. Patienten betreut, gottlob waren es zunächst noch nicht allzu viele, denn für alles (Labor, Medikamente, Verbandmaterial, …) musste ich immer wieder rumrennen und suchen.
Vor drei Wochen hat nun ein neuer junger nepalischer Arzt angefangen, er hat in China studiert und nur gerade 1 Jahr in verschiedenen Spitalabteilungen in Kathmandu ein kurzes Praktikum gemacht. Aber die Zusammenarbeit mit ihm ist sehr gut. Wir hatten dann auch schon ein erstes dermatologisches Health Camp durchgeführt. Es war ein grosser Zulauf, alle 160Patienten wurden gratis behandelt und seither kommt etwa die Hälfte der Patienten wegen Hautkrankheiten. So ist die Arbeit für mich jetzt sehr interessant und nützlich.
Inzwischen Hat auch der Bau des neuen Spitals einige Fortschritte gemacht, es soll angeblich bereits in einem Jahr bezugsbereit sein.
Alles in allem haben wir die ersten Wochen gut überstanden und einiges bewirkt, aber es bleibt eine grosse Herausforderung, all die weiteren Aufgaben hier zu meistern und mit den schwierigen Lebensbedingungen zurecht zu kommen. Langsam sind auch unsere Volontärräume fertiggestellt und wir sind froh, nicht mehr in einer Baustelle wohnen zu müssen.