Bericht aus Nepal von Ruth Gonseth - 27.03.2009
"Ohne Unterschied, ob aus einer höheren oder niederen Klasse, sind die nepalesischen Frauen sozial, ökonomisch und politisch diskriminiert. Das tief verwurzelte patriarchalische System hat sie als Zweitklassgeschlecht marginalisiert. Zwar gibt es jetzt einige Gesetze zu Gunsten der Frauen, aber diese werden nicht umgesetzt" sagte die Juristin und Frauenrechtlerin Sapana Pradhan Malla am internationalen Tag der Frau vom 8.3.09. Eine zusätzliche Diskriminierung erfahren Witwen und behinderte Frauen. Als Ursache für Behinderung wird oft immer noch eine schwere Sünde im früheren Leben angenommen.
Während drei Tagen rund um diesen Frauentag gab es in Kathmandu grosse Meetings, Workshops und Ausstellungen von Künstlerinnen. Höhepunkt war der grosse, kilometerlange Frauenmarsch mit bunten Transparenten durch die Stadt zum berühmten Basantapur-Platz, wo die Frauen sehr eindrücklich ihre Gleichstellung einforderten.
Letzte Woche war ich zu Besuch bei Maiti www.maitinepal.org, einer grossen, eindrücklichen Organisation, welche sich um Frauen und Mädchen kümmern, die Opfer von Gewalt und/oder Sextourismus sind. Die Organisation hat auch eine Schule für 300 Kinder, z.T. für die Kinder dieser Frauen, aber auch für ehemalige Kindersklaven, Strassenkinder, und Waisenkinder.... Ich habe richtig gestaunt, wie die jungen Frauen und Mädchen trotz ihrer schweren Schicksale das Lachen wiedergefunden haben und während einer Veranstaltung im Garten sogar in kleinen Szenen ihre schlimmen Erlebnisse und wie sie sich in Zukunft wehren könnten darstellen konnten. Ein vordringliches Anliegen von Maiti ist, dass die Übeltäter endlich verurteilt und bestraft werden, denn heute laufen die Allermeisten immer noch frei herum.
Zwei Schicksale von Frauen,
die bei Shanti aufgenommen wurden:
Ambika Bandari, 26j., verunfallte vor 13 Monaten bei einem Busunglück in Westnepal. Von den 28 Insassen kamen 10 Leute ums Leben, darunter auch ihre einzige 6 jährige Tochter. Ambika erlitt einen lumbalen Wirbelsäulenbruch mit Paraplegie. Ein Operationsversuch erbrachte keine Besserung. Beide Beine sind vollständig gelähmt.
Obwohl ihr Ehemann bei ihrer Aufnahme bei Shanti versprochen hat, seine Frau in zwei Monaten nach Westnepal mitzunehmen, ist er inzwischen allein ins Dorf zurückgekehrt. Dort hat er, offenbar mit Einverständnis von Ambika, deren Schwester geheiratet, welche inzwischen schwanger geworden ist. Ambika ist nun schon seit 5 Monaten bei Shanti und es steht in den Sternen, ob ihre Familie sie jemals zurückholt. Ambika ist Analphabetin und lernt bei Shanti jetzt stricken, damit sie sich etwas Taschengeld verdienen kann.
Manisha, 27j., hatte mit 7 Jahren Kinderlähmung und leidet seither unter weitgehender Lähmung beider Beine. Sie lebte zu Hause ohne ärztliche Betreuung und Förderung. Erst vor 18 Monaten kam sie zu Shanti. Mit Stützschienen kann sie inzwischen mühsam etwas gehen; allerdings sind diese von so schlechter Qualität, dass sie sie wegen schmerzhafter Druckstellen nur wenige Stunden am Tag tragen kann. Die Familie ist offenbar wohlhabend, ein Bruder war gar Mitglied des Parlamentes. Doch ihre Familie kümmert sich kaum um sie und bezahlt bisher kein Geld für den Aufenthalt bei Shanti. Manisha hat bei uns eine Anlehre als Schneiderin gemacht und arbeitet nun in der Werkstätte. Bis jetzt hat sie für ihre Arbeit nichts erhalten. Seit ich mich für sie eingesetzt habe, erhält sie wenigstens ein Taschengeld von 500 Rupien (etwa 8 SFr.) monatlich. Im Mai können wir nun endlich einen ausgebildeten Physiotherapeuten einstellen. Manisha wird dann intensives Training für ihre Beinmuskeln und anschliessend auch neue Beinprothesen erhalten. Und ihre Familie soll endlich für die Kosten in die Pflicht genommen werden.